Wenn ich meinem Hund in die Augen schaue, sehe ich jemanden. Ein fühlendes Wesen mit Bedürfnissen, mit Persönlichkeit, mit dem Wunsch zu leben. Und ich frage mich: Warum fällt es uns so leicht, Liebe zu zeigen und so schwer, sie auszuweiten?
Ich schreibe das hier nicht, um zu verurteilen. Ich schreibe, weil ich meine Energie nicht in Wut stecken will, sondern in Mitgefühl. In Bewegung. Weil ich mich nicht daran festbeiße, wer alles wegschaut, sondern mich frage: Was kann ich heute tun? Für die Tiere. Für die, die keine Stimme haben. Für mehr Empathie auf dieser Welt.
Und wenn du dich selbst als tierlieb bezeichnest, dann ist es vielleicht an der Zeit, diese Liebe zu hinterfragen. Nicht aus Schuld. Sondern aus Ehrlichkeit.
Früher dachte ich, Vegetarierin zu sein reicht. Immerhin: Keine Tiere werden mehr für mich getötet. Da war es, was ich mir einredete. Was ich lange nicht sehen wollte: Mein Konsum von Milchprodukten bedeutete dennoch tägliches Tierleid. Denn: Eine Kuh ist – wie wir Menschen auch – neun Monate lang schwanger. Sie trägt ihr Kalb unter dem Herzen. Und kaum ist es auf der Welt, wird es ihr weggenommen. Einfach nur, damit wir Menschen an ihre Milch kommen. Jede Mutter müsste hier innerlich zusammenzucken. Das frisch geborene Kalb sucht Nähe, Schutz, Geborgenheit und findet stattdessen, kalte Gitter, Trennung, Einsamkeit und Angst. Wenn es ein männliches Kalb ist, gilt es als „wertlos“ und wird nach wenigen Wochen geschlachtet. Nicht einmal. Nicht selten. Sondern millionenfach.
„Das war schon immer so“
Wir trinken Kuhmilch, weil wir es so gelernt haben. Aber warum eigentlich nicht Schweinemilch? Oder Pferdemilch? Weil es „normal“ ist? Weil irgendjemand irgendwann entschieden hat, dass es eben so läuft? Aber: „Weil es schon immer so war“ ist in keiner ethischen Diskussion ein tragbares Argument. Wir Menschen haben viele Dinge über Jahrhunderte getan, die wir heute als falsch erkennen: Sklaverei. Frauenunterdrückung. Öffentliche Hinrichtungen. Auch das war einmal „normal“. Heute sind wir uns einig: Es war grausam und falsch und dennoch tun wir all das fühlenden Lebewesen noch heute an.
Ich glaube, die meisten Menschen sehen ein Tier und denken nicht automatisch an Essen. Vielmehr fehlt die Verbindung. Wir streicheln Kälber und Ziegen im Streichelzoo. Wir filmen Kühe auf der Alm für ein idyllisches Instagram-Reel. Wir sagen unseren Kindern: „Schau mal, wie süß.“ Und ein paar Stunden später essen wir genau dieses Tier. Zerteilt. Zubereitet. Ohne Fragezeichen.
Das ist nicht „etwas“. Das ist jemand.
Wir lieben unsere Hunde und Katzen. Wir investieren Zeit, Geld und Zuwendung für Trainings, Futterberatung, Osteopathie, artgerechte Auslastung. Sie sind Familienmitglieder. Seelentröster. Kleine Persönlichkeiten mit großem Platz in unserem Herzen. Und gleichzeitig essen wir Tiere, die genauso fühlen.
Schweine zum Beispiel:Studien zeigen, dass sie kognitiv sogar weiter entwickelt sind als Hunde. Sie sind verspielt, sozial, neugierig, sensibel. Kühe weinen tagelang nach ihren Kälbern, wenn man sie ihnen wegnimmt. Und Kälber? Sie zeigen nachweislich Angst und Stressreaktionen. Sie suchen Nähe. Sie suchen ihre Mutter. Sie sehnen sich nach Sicherheit. All das ist wissenschaftlich belegt. Und all das passiert jeden einzelnen Tag. Und dennoch blenden wir es aus.
Wer mit einem Haustier lebt, weiß längst: Das ist nicht „etwas“. Das ist jemand. Ein fühlendes Wesen mit Bedürfnissen. Mit Bindung. Und vor allem: mit dem Wunsch zu leben.
Paviane im Zoo – Kälber in der Industrie
Vor einigen Wochen ließ der Nürnberger Zoo zwölf gesunde Paviane erschießen – trotz vorhandener Alternativen. Der öffentliche Aufschrei war groß. Empörung, Entsetzen, Protest und das völlig zurecht!
Doch wenn täglich Millionen Tiere sterben – Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner – bleibt es still. Kein Hashtag, keine Schlagzeile, kein Innehalten. Allein in Deutschland werden jährlich rund 300.000 Babykälber getötet. Gesunde Lebewesen, nur wenige Wochen alt. Und das ist nur die bekannte Zahl. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Wir verurteilen den illegalen Welpenhandel, prangern schlechte Haltungsbedingungen in Zoos an und schauen gleichzeitig weg, wenn Tieren in der Nutztierindustrie systematisch Leid zugefügt wird. Versteht mich nicht falsch: Ich finde es gut, dass sich viele über den Fall der Paviane empören. Aber genau hier stellt sich doch die Frage: Warum fühlen wir so selektiv? Warum diese radikale Unterscheidung zwischen Tieren, die Mitgefühl verdienen, und solchen, deren Leid wir ignorieren?
Denn Fakt ist: Es gibt keinen Unterschied. Nicht im Schmerz. Nicht im Empfinden. Nicht im Wunsch zu leben.
Und genau deshalb esse ich keine Tiere mehr. Nicht, weil ich perfekt sein will. Sondern weil ich niemandem Leid zufügen möchte, für ein paar Minuten Geschmack. Wir brauchen heute kein Fleisch mehr. Keine Milch. Keinen Käse. Wir haben Alternativen. Wir haben das Wissen. Wir haben die Möglichkeiten. Was uns oft fehlt, ist der Mut. Der Mut, uns selbst zu hinterfragen. Der Mut, unsere Gewohnheiten ehrlich anzusehen. Der Mut, empathisch zu handeln. Und genau da beginnt Veränderung. Vielleicht beginnt sie heute in deinem Kopf.

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